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Früher dachte ich, Grausamkeit und Böswilligkeit seien ausschließlich menschliche Eigenschaften. Doch nun scheint es, dass die Denkmaschinen gelernt haben, uns zu imitieren.
Vorian Atreides,
Wendepunkte der Geschichte
Als die Patrouillenflotte der Djihad-Armee die kleine Kolonie auf Chusuk erreichte, war es bereits zu spät. Die angreifenden Maschinen hatten nichts übrig gelassen.
Die eingeebneten Städte rauchten nicht mehr, nachdem das Feuer keine Nahrung mehr gefunden hatte. Die einzigen Reste menschlicher Besiedlung waren schwarze, verbogene Stahlträger, Krater von gewaltigen Explosionen und eine verkohlt riechende Stille.
Zu viel Zeit war vergangen, als dass es noch Überlebende geben könnte.
Vorian Atreides stand zwischen den Trümmern und hatte Mühe, angesichts des überwältigenden Schocks nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Fünf weitere Rettungs- und Bergungsshuttles kamen von den zwei Ballistas im Orbit, aber hier unten gab es nichts mehr zu retten ...
Sie konnten nur noch das Ausmaß des entsetzlichen Massakers dokumentieren.
Die Djihadis keuchten vor Bestürzung. Ein paar der Soldaten hatten Verbindungen zu Chusuk, Verwandte oder Freunde, die hier gelebt hatten. Vors Herz wurde zu Eis, als er erfolglos versuchte, das vorsätzliche, genau geplante Blutvergießen zu begreifen, das die Maschinen hier entfesselt hatten.
»Omnius hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Planeten zu übernehmen«, sagte er mit matter Stimme. Chusuk hatte eine gut ausgebaute Infrastruktur gehabt, sodass der Allgeist hier ohne große Schwierigkeiten eine Synchronisierte Welt hätte etablieren können, aber die Maschinen schienen gar nicht weiter an diesem Planeten interessiert zu sein. »Sie haben ... alles zerstört.«
Vor schüttelte den Kopf. Sein dunkles Haar war unordentlich und verschwitzt, die Augenbrauen waren zusammengezogen. »Vielleicht haben die Maschinen ihre Taktik geändert. Wenn sie dasselbe mit anderen Welten machen, dürfte das bedeuten, dass sie nur die Menschen töten und die Planeten unbewohnbar machen wollen.« Er blickte sich zu den Soldaten um, die sich aus dumpfer Gewohnheit zu beschäftigen versuchten und in der toten Kolonie nach sinnvollen Aufgaben suchten.
Der Primero ging langsam durch die zerstörten und verbrannten Straßen. Nachdem er in jungen Jahren Omnius gedient hatte und in den Nuancen der Eroberung ausgebildet worden war, hatte er gedacht, er würde die Maschinen besser verstehen. »Das ergibt keinen Sinn – es sei denn, die Cymeks waren dafür verantwortlich.«
Chusuk war eine florierende Ansiedlung gewesen, keinesfalls ein Paradies, aber ein Platz auf einer ruhigen und wenig bemerkenswerten Welt, wo man leben konnte. Die Kolonisten waren echte Menschen gewesen, die fleißig gearbeitet hatten, die enge Familienbindungen eingegangen waren und bescheidene Träume gehabt hatten.
Und die Maschinen hatten sie zu Opfern gemacht.
Durch eine dicke Plazscheibe im Boden sah er in einen Raum, der völlig unbeschädigt wirkte. Auf einer Werkbank lagen verschiedene Musikinstrumente. Es war seltsam, welche Dinge manchmal den Krieg überstanden, als würden sie von vereinzelten Engeln beschützt werden. Er wies die Suchmannschaften an, sich in den unterirdischen Räumen umzusehen. Sie kehrten schon nach kurzer Zeit zurück und meldeten, dass sie kein Anzeichen von Leben gefunden hatten.
Vor ging weiter. Die verbrannten Gebäude ragten wie schwarze Skelette auf. Wände waren eingestürzt und hatten die stützenden Elemente freigelegt. Der zentrale Platz war nur noch eine tiefe Furche, vermutlich war er von fliegenden Robotereinheiten mit schweren Geschützen unter Beschuss genommen worden.
Er fand verkohlte Leichen, die wie tote Krähen aussahen, die Arme verrenkt, die Lippenreste gebleckt, dahinter Zähne, die in der Hitze gesprungen waren. Wirkliche Menschen. Er würde sich nie an diesen grausamen Preis des Djihad gewöhnen können. Leere Augenhöhlen starrten ihn wie ausgebrannte Lagerfeuer an, als würden sich diese Menschen fragen, warum die Retter so lange gebraucht hatten.
Drei uniformierte Djihad-Soldaten riefen die anderen zu einer Ecke. Vor lief schneller und stieß auf zwei zerstörte Kampfmeks, die den Verteidigungskräften von Chusuk zum Opfer gefallen waren. Die Siedler hatte nur über wenige Waffen verfügt, aber sie schienen sich ausreichend organisiert zu haben, um diese zwei Denkmaschinen zu vernichten.
Bedauerlicherweise bestand jede mechanische Armee aus tausenden solcher Kampfmeks. Die Kolonisten hatten Widerstand geleistet, aber sie hatten nie eine Chance gehabt.
Vor zog die Mundwinkel nach unten. Er spürte eine tiefe Leere, weil er wusste, dass er nichts hätte tun können, um dieses Gemetzel zu verhindern. Seine Schiffe waren fast einen Monat lang unterwegs gewesen, bis sie Chusuk auf einem regulären Patrouillenflug erreicht hatten. Sie hatten erwartet, sich mit neuen Vorräten eindecken und eine Woche Urlaub machen zu können. Sie hatten keinen Notruf empfangen – selbst wenn einer abgeschickt worden war, hätte er sie niemals rechtzeitig erreicht.
Vor war übel. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Maschinen eine so sinnlose Brutalität an den Tag legen würden, nicht hier.
Aber er hätte damit rechnen sollen.
* * *
Auf dem Flug nach Chusuk, während der langen, ereignislosen Reise durch den Weltraum, hatte selbst ein Primero nicht viel zu tun. Er hatte sich damit beschäftigt, Dokumente zu lesen und sich Notizen für Abhandlungen über militärische Taktik zu machen, in denen er erklärte, was er über die Denkmaschinen wusste.
Im Verlauf des Djihad hatte Serena Butler mehrere Essays über ihren Kreuzzug gegen die Maschinen verfasst, aus denen Iblis Ginjo großzügig zitierte. Irgendwann hatte Vor sogar darüber nachgedacht, seine eigenen Memoiren zu schreiben, da er bereits so lange gelebt und so viel erlebt hatte ... aber wenn er an die zahllosen Lügen dachte, die sein Vater in dessen Memoiren verarbeitet hatte, um sie als geschichtliche Tatsachen auszugeben, fühlte sich Vor von der Idee abgestoßen. Selbst wenn er sich bemühte, aufrichtig zu sein, würde seine menschliche Natur ihn womöglich dazu verleiten, ein paar Fakten zu beschönigen.
Vielleicht würde er es sich in hundert Jahren noch einmal überlegen, falls er seinen Kampf gegen Omnius erfolgreich fortsetzen konnte. Vorläufig tat er besser daran, gelegentlich eine Runde Fleur de Lys mit seinen Männern zu spielen. Die Geschichte würde sich eher an seine Taten als an hinterlassene Schriftstücke erinnern ...
Während der einsamen Stunden in seiner Kabine rief sich Vor häufig angenehme Erinnerungen ins Gedächtnis und stellte sich vor, wie sein Leben anders hätte verlaufen können. Der erste Mensch, der ihm dabei einfiel, war gewöhnlich Leronica Tergiet von Caladan, eine Frau, die wirklich sein Herz berührt hatte.
Nie zuvor hatte er es gewagt, irgendwelche Verpflichtungen oder emotionale Bindungen einzugehen ... aber Leronica erweckte in ihm den Wunsch, ein anderer Mensch zu sein, ohne Pflichten von kosmischer Bedeutung, sondern ein ganz normaler Mann, der ein Ehemann und Freund sein konnte. Vor bereute es nicht, solche Verantwortungen übernommen und solche Leistungen vollbracht zu haben, weil er wusste, dass er die Bevölkerungen ganzer Planeten verteidigt hatte. Aber zur Abwechslung wäre es nett gewesen, ein kleiner, unbedeutender und zufriedener Soldat zu sein, den alle als »Virk« kannten.
Bislang hatte der Djihad ihn daran gehindert, nach Caladan zurückzukehren, obwohl er es sich fest vorgenommen hatte. Er schickte Leronica Briefe, die er Djihad-Soldaten mitgab, die zur Überwachungsstation versetzt wurden, und gelegentlich kleine Geschenke. Aber von ihr hörte er nichts. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie die Möglichkeit hatte, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. Bestürzt wurde ihm klar, dass er in ihren Gedanken wahrscheinlich gar keine besondere Rolle spielte.
Inzwischen musste eine gute Frau wie sie längst einen Ehemann gefunden und eine Familie gegründet haben. Wenn dem so war, hoffte er, dass sie angenehme Erinnerungen mit ihm verband.
Obwohl ihm diese Möglichkeit durch den Kopf ging, konnte er nicht einfach hereinspazieren und die glückliche Existenz zerstören, die Leronica für sich aufgebaut hatte. Doch eines Tages würde er nach Caladan zurückkehren, um es herauszufinden.
In der Zwischenzeit schrieb er ihr während der langen, einsamen Reisen zwischen den Sternen lange Briefe, die reguläre Kuriere ausliefern würden. Er wusste, wie sehr es ihr gefiel, von anderen Planeten und Menschen zu hören. Und die Übung sorgte dafür, dass er Leronica im Gedächtnis blieb und er sich weniger einsam fühlte.
Zum Glück ließen die Anforderungen des Krieges die Zeit für ihn schnell vergehen. Vielleicht würde er sie früher wiedersehen, als er erwartete. Bei diesem Gedanken beschleunigte sich sein Herzschlag. Konnte es sein, dass sie wirklich noch auf ihn wartete?
* * *
Vor lief weiter mit bleiernem Herzen durch die Ruinen von Chusuk und blickte auf die schockierende Verwüstung. Die Maschinen waren mit ausgesprochener Gründlichkeit vorgegangen – etwas, das ihm recht ... ineffizient vorkam. Hatten die Roboterstreitkräfte wirklich so viel Schaden anrichten müssen, nur um ihr Ziel zu erreichen?
Einer der Cuartos, der für die Inspektionstruppen zuständig war, kam zu ihm, um Bericht zu erstatten. »Primero Atreides, wir haben die Leichen gezählt. Es waren nicht mehr als einhundert.«
»Einhundert? Das ist zu wenig für eine Kolonie dieser Größe. Wurden die anderen beim Angriff atomisiert?«
»Die Zerstörungsspuren deuten nicht darauf hin, Sir.«
Vor schürzte die Lippen. »Dann wurden sie vermutlich als Sklaven mitgenommen, um die Arbeitskräfte zu ersetzen, die bei den gescheiterten Rebellionen verloren gingen. Ich bedauere die armen Teufel, die das hier überlebt haben.«
Dann richtete er sich auf und hob den Kopf. »Wir müssen diese Mission zügig zu Ende bringen. Machen Sie Bilder von allem, dann werden wir direkt nach Salusa Secundus zurückkehren. Ich muss der Priesterin berichten, was hier geschehen ist.«
Das Gesicht des Cuartos verhärtete sich entschlossen. »Wenn sie diese Bilder sieht, wird sie ein Feuer im Volk entfachen. Die Denkmaschinen werden es bitter bereuen, dass sie eine unserer Kolonien angegriffen haben.«
Der Offizier rief seine Männer zusammen, während Vor das Gefühl hatte, dieser neue Funke könnte tatsächlich bewirken, dass der Kampf noch fanatischer und erbarmungsloser geführt wurde.
Er sehnte sich mehr als zuvor danach, nach Caladan und in die Arme von Leronica zurückzukehren.